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kreativ sein

Die Künste bieten Räume, kreativ zu sein, basieren sie doch auf Praktiken, die immer wieder neue Dinge und Relationen explorieren, generieren, verändern, entwickeln und transformieren. Kreativ zu sein, bringt etwas hervor. Daher arbeiten nicht nur Choreographen, bildende Künstler, Autoren oder Theatermacher mit kreativen Verfahren und begehren ihre Gunst. 

  • Wie aber gelingt es, zu kreieren und Neues hervorzubringen?
  • Ist es Talent, Zufall oder braucht es Training, kreativ zu sein?
  • Wie lassen sich Prozesse von Kreativität anregen und strukturieren?
  • Welche Unterstützung brauchen Lernende hierfür?

Kreative Prozesse ergänzen das Lernen von Tanz-Techniken. Steht beim Lernen von Tanzformen die Aneignung von relativ objektiven Bewegungs-Vorgaben im Zentrum, so rücken in choreographischen und improvisatorischen Gestaltungsprozessen die eigene Aktivität und Entscheidung des Schülers in den Mittelpunkt des Lernens. Beide Lernprozesse, ob bewegungstechnisch durch Vorgaben oder gestalterisch durch Freiräume strukturiert, sind für eine tänzerische Entwicklung egalitär wichtig.  Doch verlangen beide nach einer spezifisch eigenen Didaktik, die eine Annäherung an Vorgaben und an Freiräume möglich macht.

der kreative Prozess

Die Kreativitätsforschung qualifiziert im Anschluss an die ersten psychologischen Studien der 1960er Jahre zwei wesentliche Merkmale von Kreativität: Kreativ-zu-Sein beschreibt einen Prozess im Wechsel von intuitiven und rationalen Aktivitäts-Phasen.

Jedem Einzelnen gehört ein eigenes Potential Kreativ-Zu-Sein. Jeder kann angeregt und unterstützt vom Lebensumfeld kreativ werden. Entscheidend ist ein wertfreier Entfaltungsraum innerhalb dessen Entdecken und Erproben möglich werden. Kreative Prozesse verlaufen in fünf Phasen und reichen - bezogen auf den Tanzbereich - von einer ersten Idee und Problemstellung bis zum Zeigen oder Vorführen des gestalteten Tanzes.

Kreativität bei Kindern

Kinder brauchen Ermutigung und Aufmerksamkeit!

Kinder entdecken und erforschen die Welt auf vielfältige Weise. Studien in der bildenden Kunst haben differenzierte Kenntnisse über die kreativen Gestaltungsprozesse von Kindern gewonnen. Untersucht in den Phasen vom ersten Kritzeln bis zu kompositorischen Bildgestaltungen zeigt sich ein ebenso komplexer wie fragiler Prozess. Diese kreativen Prozesse sind äußerst sensibel und anfällig für äußere Einflüsse, ja sie können leicht gestört und abgebrochen werden.

Vor dem Hintergrund der Forschungen folgt die Kunstpädagogik „goldenen Regeln“ zur Kreativitätsförderung von Kindern. Die Wichtigste ist, jegliche Einmischung und Wertung seitens der Erwachsenen zu unterbinden. Denn Kinder können nicht zwischen sich und dem Objekt (der Zeichnung/dem Bild) unterscheiden. Kritisieren Erwachsene ihre Zeichnung oder geben wohlgemeinte Verbesserungsvorschläge, so erleben dies Kinder als Ablehnung der eigenen Person.

Kinder sein lassen und sie unvoreingenommen zu unterstützen fördert ihre Kreativität und ihr Selbstbewußtsein.

Förderung der kreativen Persönlichkeit

angstfreie Atmosphäre, Freiraum und Ermutigung

Kritik im falschen Moment und an der falschen Stelle lähmen. Selbst Erwachsene identifizieren fremde Kritik an ihren Kreationen anfänglich mit einer Kritik an ihrer Person. Es fällt schwer, kritische Äußerungen nicht persönlich zu nehmen und zu verstummen oder zu resignieren. Einmischung und Kritik behindern empfindlich die ersten Phasen des Kreativ-Seins, besonders im Tanzbereich, da hier die Kreation mit dem eigenen Körper identifiziert ist.

Ein kreierter Tanz ist mit dem eigenen Körper untrennbar verbunden: Subjekt und Objekt fallen beim Tanzen in eins. Korrekturen und Kritik an der Bewegungsausführung bleiben auf Grund der emotionalen Nähe zum eigenen körperlichen Selbstverständnis eine Herausforderung – selbst für Tanzprofis. Erst über eine geschaffene Distanz zu dem eigenen Gefühl und Körper wird Kritik positiv erlebt und kann produktiv werden. Kinder und Anfänger bewegen sich daher im Tanzen in einer äußerst sensiblen Zone von Lernen, Entwickeln und Gestalten.

Zuwendung, Ermutigung und Akzeptanz seitens des Lehrenden eröffnen die Möglichkeit zu kreativen Lernprozessen.

Gestaltungsprozesse

              erfordern und fördern Kreativität

Gerade im Tanz erfordern Gestaltungsprozesse eine besondere Sensibilität seitens der Lehrenden: eine akzeptierende Haltung und Schaffung einer angstfreien Atmosphäre und eines Freiraums sind unerlässlich. Empathie ist die Grundlage, dass sich der Schüler angenommen fühlt und den Mut zum Risiko des kreativen Gestaltens findet. Durch reflektierte methodische Schritte lässt sich der Gestaltungsprozess strukturieren und in seinen einzelnen Gestaltungs-Phasen unterstützend begleiten. Der Lernende wird ermutigt, ohne sich in seine ästhetischen Entscheidungen einzumischen.

Kritikfähigkeit zu üben, ist erst sinnvoll und notwendig, wenn der künstlerische Gestaltungsprozess vorangeschritten ist. Die Kreativitätsforschung hat gezeigt, dass Kritik lernbar ist und auf der Basis einer gewonnenen emotionalen Sicherheit am Ende längerer Lernprozesse produktiv wird. Erst wenn die Persönlichkeit der Lernenden gestärkt und ein differenziertes Reflexionsvermögen entwickelt ist, lassen sich eigene ästhetische Werte und Vorstellungen besprechen. Eine gewisse Unabhängigkeit von fremden Bewertungskriterien ist erreicht.

Integrative Tanz-Pädagogik stützt sich auf diese Prinzipien der Kreativität und verbindet tänzerische Improvisationen, Gestaltung und choreographische Arbeit mit einer sensiblen Förderung der Persönlichkeit.